Otzlande
Der große Drache im Süden

„ Ein Fremdling, der unsere Geschichte hören will?... Die Geschichte über den Krieg gegen den Drachen also… Nun, ich kann sie dir erzählen, wenn du gut lauscht, Fremder!

Einst lag das Land, welches südlich von hier liegt, ohne Grenzen vor uns. Man sagte sich, es sei unbefestigt. Die südlichen Stämme durchfurchten es wie ein Pflug in lockerer Erde und hinterließen geplünderte Schneisen. Sie erzählten den Nördlichen Stämmen von einem fruchtbaren Land, das voll von Reichtümern vor uns lag. Nur einen Khan benötigte es, den mussten sie überzeugen, so dachten sie. Er würde sie alle vereinen, egal ob Nord oder Süd. Er sollte sie führen. In ein neues Land. Ein Land, das uns gehören sollte. Es kam anders, mein Kind. Lass dir erzählen was geschah…

Stell dir einen Schamanen vor, Fremder, groß und stark, ein Wille und eine Wildheit in seinen Augen, so weit wie der Himmel. Er sagte von sich selbst, er könne in die Zukunft sehen und sagte seinem im Süden lebenden Stamm voraus, dass sie einmal über das reiche Land im Süden herrschen würden. Sie würden es nicht nur plündern, sondern unterdrücken und die Bewohner als Sklaven benutzen. Reich, fett und zufrieden sollten sie werden! So ließ sein Stammesführer den Schamanen in seinem Namen gen Norden ziehen. Er solle sich die Unterstützung holen, die sie für einen ordentlichen Kriegszug benötigten. So zog der Schamane mit dem Namen „Morak“ in den Norden zum größten Khaganat von dem er je gehört hatte. Sagenumwoben, groß und mächtig musste der Khan dort sein. Allein sein Name verhieß für den weissagenden Schamanen den Sieg: „Khan Gor Ghunan“! Er erreichte ihn und sprach zu ihm. Man erzählt sich, dass er viele Tage und Nächte mit dem Khan in dessen Lager verbrachte. Niemand durfte sie stören. Sie sprachen also und als der Khan das Lager verließ und all seine Kinder und Krieger um sich versammelte, so sagt man, blickte er wild wie ein Südlicher, entschlossen in den Krieg zu ziehen! Er allein würde alle Stämme unter sich vereinen und mächtig wie eine geschlossene Faust würde ein geschlossener Stamm auf den Drachen niederfahren und das Land für sich beanspruchen.

So kam es, das er einige seiner stärksten Kämpfer nahm und ihnen auftrug eine Botschaft zu allen nördlichen Stämmen zu schicken: „Er, Gor Ghunan, lädt die Kahns der anderen Khaganate zu einem Thing! Alle sollten sich versammeln, denn es benötige einen Bund aller, um sich gegen ein mächtiges Wesen wie einen Drachen zu wehren! Der Süden sei ihnen schon voraus“, sollten sie ausrichten, denn der Khan hielt sich für schlau  „denn der Süden habe sich schon unter ihm vereint.“

Nachdem die Boten in alle Richtungen so schnell sie konnten ihre Pferde trieben, ging er zurück zu Morak und sprach zu ihm: „Morak, du bist ein weiser Schamane, der mir eine mächtige Zukunft versprach! Sei mein Berater und mein Mund im Süden! Geh und sichere mir all ihre Kampfkraft! Schick mir einen Boten, einen Traum, eine Botschaft  - wie du willst, wenn du es geschafft hast. Seine Ankunft soll das Zeichen unseres gemeinsamen Schlages werden! Bis dahin werde auch ich den gesamten Norden hinter mir haben!“

Er war sich seiner Sache so sicher, dieser Ochse von einem Khan!

Man erzählt sich, dass wirklich alle Stämme dem Ruf des Khans Gor Ghunan folgten. Sie trafen sich und sprachen wieder viele Tage und Nächte. Sie fraßen seinem Stamm regelrecht alle Vorräte, die sie hatten, weg, sodass der Khan, hätte er die Prüfung der Vereinigung der Stämme nicht bestanden, vor die Hunde gegangen wäre! Aber stell dir vor, Kindchen,  was es für eine Botschaft für ein so versprengtes und uneiniges Volk war, als jeder Khan zu seinem Khaganat zurückkehrte und verkündete, dass sie gemeinsam, Seite an Seite kämpfen und siegen würden!

Auch, wenn ich Gor Ghunan für einen einfältigen Ochsen halte, so schien er doch die Gerissenheit eines Fuchses besessen zu haben: Nachdem auch die Botschaft Moraks ihn erreichte, dass der gesamte Süden sich hinter ihm zu einer Waffe vereinen würde, ersonn er einen Plan: Die südlichen, stumpfen Krieger sollten Wald und Wiesen, kleinere Dörfer und unbefestigtes Land einfach überrennen, wie es ihnen gefiel. So musste er nicht ihre ungezügelte Kampfgewalt unterdrücken und darauf achten sie zu befehligen. Mit dem Norden jedoch fügt es sich ja schon lange Zeit anders: Die Kämpfer und deren Ausrüstung mit Werkzeug und Klugheit ließ sich besser befehligen und unter seiner Führung sollten sie also die befestigten Städte und Wälle einnehmen, für die der Süden zu grob war. Dies benötigt viel mehr Geschick, Fremdling, nicht wahr?

So begann ein Krieg. Ein Kampf, der länger zu dauern schien, als Morak ihn vorhergesehen hatte. Vielleicht kannst du dir ausmalen, welche Folgen dies für den Schwätzer hatte. Doch Gor Ghunan hielt fest an seinem Wahn, dass er der mächtigste aller Khans war und auch auf immer sein würde und zog so weiter und weiter in den Kampf mit dem Süden. Nach und nach jedoch verlor er an Kraft und an Macht über die anderen Stämme. Man munkelt, dass er den Verrat zweier Khaganate nicht einmal mehr miterlebte, dass er vorher in das Land jenseits des Lichtes wanderte. Vielleicht hat er den Weg dorthin auch bis heute nicht gefunden. Was man aber zu berichten weiß ist, dass Khan Broddir und Khan Saruul, ihre Stämme aus dem Krieg herausführten, da sie es nicht gewohnt waren sich beherrschen zu lassen. Sie gingen ihrer eigenen Wege und verringerten so die Streitkraft unseres starken Heeres, sodass ein großer Riss in unserem Siegeszug entstand. Nicht nur, dass sie uns verrieten und uns den Rücken kehrten wie heimtückische Elstern, nein, wie ausgehungerte Wölfe über Aas stürzten sie auch noch in unseren Rücken. Sie nahmen sich einfach eines der schon eroberten Gebiete und gründeten dort durch eine Vereinigung ihrer Stämme ein neues Khaganat. Verflucht sollen sie sein und ihre Ahnen dazu! Das Wasser welches sie trinken soll zu Blut werden und ihre Nahrung verderben! So wie ihr Geist! Ein verdorbener Geist findet den Weg ins dunkle Reich nicht und wird vergessen werden!

Nun bleibt nicht mehr vieles darüber zu berichten. Der große Drache des Südens zerschlug unsere Bande und so wurden wir wieder zu den versprengten Stämmen, die sich ihre Wunden nun lecken und sich zurückzogen, wie einst. Von unserer gemeinsamen Macht ist nichts mehr zu erkennen wie du siehst. Viele Stämme im Norden leben nicht einmal mehr in einem Khaganat. Sie lassen sich von einer Hand voll Schamanen leiten, oder einer Versammlung der Clans oder anderer solcher seltsamen Ideen, die sie vor einem weiteren Krieg schützen sollten. Vielleicht hatte Morak ja Recht und in weiter Ferne werden wir einmal den Drachen köpfen… Doch das war nicht unsere Zeit.“